Winnie Forster
Interview mit Winnie Forster
vom 6.1.2003 (Seite 2 von 2)

Kultpower: Was hat dich dazu veranlasst, ein Buch über die Geschichte von Spielekonsolen und Heim-Computern zu schreiben?
Winnie: Für Bücher interessiere ich mich, seitdem ich lese, und habe während der oben genannten Auslandsreisen massig Sekundärliteratur zu Medien, Film, Comic und Musik gesammelt. Da es zu Computer- & Videospielen nichts Vergleichbares gibt -- zumindest nicht in Europa -- war's für mich eine Frage der Zeit, diese Lücke zu füllen. Nach 12 Zeitschriften-Jahren brauchte ich eine Abwechslung, außerdem wurden IMO die Hefte immer gleichförmiger und -- aufgrund ihrer Abhängigkeit zum Anzeigenmarkt -- immer stärker auf kurzfristige Hypes konzentriert und zunehmend schwächer bei der Erläuterung der wirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge. An der Geschichte und Kultur der Spiele hat IMO keines der aktuellen Hefte Interesse, den meisten Redaktionen fehlt auch der Mut oder die Kompetenz (meist beides ;-) ), über den Tellerrand hinauszublicken. Mit einem Buch löse ich mich bewusst vom Schema "Heute bejubelt, morgen vergessen" und kann unabhängig von den Interessen der Anzeigenkunden schwafe...äh...berichten.
Kultpower: Wie lange spielst du schon mit dem Gedanken, das Buch zu schreiben? Wie lange hat die Arbeit am Buch gedauert?
Winnie: Der Entschluss der beruflichen Neuorientierung fiel Ende 2001, die Konzeption des Buchs begann im Frühjahr 2002. Ab Sommer letzten Jahres habe ich dann fast Full-Time an der "Gameplan-Bibel" gearbeitet, wobei mich in den letzten Wochen Stephan Freundorfer, Andreas von Lepel, Oliver Ehrle und andere Redaktionsprofis unterstützten.
Kultpower: Wer ist für das Buch die Haupt-Zielgruppe?
"Wer schon seit Jahren spielt, muss die 'Gameplan-Bibel' haben"
Winnie: Alle, deren Interesse an Computer- & Videospielen über die saisonale Beschäftigung hinausgeht. Wer ab und an mal ein Playstation-Spiel kauft (oder kopiert), wird mit dem Buch nichts anfangen können; wer schon seit Jahren (oder auf mehreren Geräten gleichzeitig) spielt, muss die "Bibel" haben ;-)
Kultpower: Was für Quellen hast du für die ganzen Informationen hauptsächlich verwendet?
Winnie: Meist japanische Quellen, in Bezug auf die westliche Szene vor allem 80er-Jahre-Klassiker wie Steven Levys "Hackers" oder das kaum bekannte "Software People" von Doug Carlston; letzteres ein Buch, nach dem ich mehrere Jahre gesucht habe, bis es mir 2001 schließlich durch eine amerikanischen eBay-Auktion in die Hände fiel. Ich habe mit "Ur-Quellen" gearbeitet und kann mit Nacherzählungen wie z.B. Leonard Hermans "Phoenix" nicht so viel anfangen. Wer mehr über meine Quellen erfahren möchte, sollte die letzte Seite der "Gameplan-Bibel" studieren; dort nenne ich Titel, Autor, Verlag und Erscheinungsjahr der für mich wichtigsten Bücher und Periodika.
Kultpower: Zu welchem Gerät, das im Buch beschrieben wird, waren die Recherchen am schwierigsten?
Winnie: Gute Frage, da muss ich kurz überlegen. Generell war kein System besonders knifflig, da ich mich seit Interton und VCS mit der Hardware beschäftigte und das Glück hatte, mit guten Leuten zusammenzuarbeiten und direkte Kontakte zu allen wichtigen Firmen nützen konnte. Reizvoll war die Recherche zum Hanimex/Arcadia, da die Erkenntnisse europäischer, amerikanischer und japanischer Sammler noch nicht zusammengeführt sind; eventuell ist das entsprechende Kapitel in meinem Buch die kompakteste und korrekteste Beschreibung dieses 80er-Jahre-Systems. Der Apple Mac war knifflig, da die "Urzeit" dieses Systems (1985 bis 1988) von den nachfolgenden Jahren, Hardware- und Software-Generationen völlig zugeschüttet ist. Es existieren unzählige Mac-Quellen, aber kaum eine die sich mit den monochromen Anfängen dieses Computers beschäftigt. Dagegen sind Atari-, Commodore-, Sega- und Nintendo-Geräte gut dokumentiert; zu all diesen System gibt's auch in Europa (zum Großteil sogar in meinem unmittelbaren Bekanntenkreis) Entwickler und Kaufleute, die mit diesen Geräten zu tun hatten.
Kultpower: Wie bist du an die ganzen Fotos der Geräte gelangt? Wie viele der abgebildeten Geräte besitzt du selber? Sammelst du generell selber alte Konsolen oder Spiele?
"Über meine Shopping-Abenteuer könnte ich ein eigenes Buch schreiben"
Winnie: Eigentlich bin ich kein Hardcore-Sammler, aber durch die Arbeit am Buch dann wohl doch zu einem geworden ;-)
Wichtig war es mir, nicht verbastelte Hardware oder belanglose Neuauflagen sondern die authentische Ur-Hardware abzubilden -- die Suche nach korrekten Geräten wuchs im Verlauf meiner Arbeit zur Manie und führte mich rund um den Globus. Stellenweise habe ich's sicherlich übertrieben, z.B. schien mir das deutsche Super NES hässlich, obwohl es sich nur marginal vom japanischen Super Famicom unterscheidet -- also musste ich im Oktober noch mal nach Tokio um mir ein OVP-SFamicom zu holen, ebenso wie den ersten Saturn (silbern, nicht PAL-Schwarz), eine NEC FX etc. Über meine Shopping-Abenteuer könnte ich ein eigenes Buch schreiben, es gab eine Menge logistischer und technischer Probleme, aber auch viele Glücksmomente, z.B. als ich in Japan wegen eines defekten Fahrstuhl überraschend einen Laden entdeckte, in dem es die ersten Sega-Geräte in Originalverpackung gab, oder als ich bei einem ziellosen Tokio-Spaziergang kurz vor dem Rückflug plötzlich in einen Riesenflohmarkt stolperte. Dort wühlte ich in Sachen die ich bisher nur vom Hörensagen kannte und fand z.B. den raren Netzwerk-Adapter für das alte Famicom.
"Ich stand zwischen ein paar hundert Apple-2-, Atari-800-
und Commodore-Pet-Computern!"
Witzig auch als Teut, Andreas von Lepel und ich einen angeblichen Retro-Shop irgendwo in einem obskuren US-Nest besuchen wollten. Wir hatten nur eine alte Adresse und waren uns alles andere als sicher, den uns unbekannten Laden zu finden, als wir auf gut Glück in unseren Mietwagen stiegen. Ohne Hektik sind wir zwei Stunden durch Kalifornien gefahren, auf 200 km nur dreimal abgebogen und landeten -- voila -- direkt vor dem halbverfallenen Geschäft -- ohne uns auch nur einen einzigen Meter zu verfahren! Der dicke ca. 50jährige Redneck-Besitzer hat mich dann im Jeep in sein Lager mitgenommen -- dort stand ich zwischen ein paar hundert Apple-2-, Atari-800- und Commodore-Pet-Computern!

Unterm Strich erwies sich die Hardware-Suche als tolle Parabel auf das ganze Leben: Zum einen brauchst Du kühle Planung, Kalkulation und Know-How, zum anderen solltest Du regelmäßig Deine ausgetretenen Pfade verlassen, um weiterzukommen. Sowohl im Leben, als auch bei der einjährigen Arbeit an meinem Buch hatte ich die erfreulichsten Erlebnisse völlig unverhofft -- z.B. nachdem etwas nicht geklappt hat, ich ins Blaue marschierte oder ein Zufall mich beim Händchen nahm..schon komisch, irgendwie. Nur den Glauben an den Erfolg sollte man nie verlieren.
Genug der Lebensphilosophie, zurück zu Deiner Frage: Bis auf Creativision, Atari 5200 und FM Towns Mary habe ich jetzt fast jedes Spielgerät der letzten 25 Jahre -- im Endeffekt zu viel um es in die Kapitel des Buchs zu pressen. Deshalb wurde z.B. die Famicom/Diskstation-Kombi noch ins Inhaltsverzeichnis geflickt. Andere Sachen mussten ganz draußen bleiben, denn nach der vierten Fotosession mussten wir zu einem Abschluss kommen.
Kultpower: Warum behandelst du in dem Buch hauptsächlich die Geräte? Stellen nicht viel mehr die beliebtesten Spiele die Geschichte der Computerspiele dar?
"Ein Buch über die 'beliebtesten Spiele' ist ebenso sinnvoll"
Winnie: Das hat konzeptionelle Gründe -- um ein "Werk" zu realisieren braucht man einen festen Rahmen. Ursprünglich wollte ich sogar ein Buch NUR über Hardware machen und auf die dazugehörigen Spiele ganz verzichten. Da ich's aber ähnlich sehe wie Du (ohne Spiele hat die Hardware eigentlich keinen Wert & nur wenig Faszination), beschloss ich, zumindest die wichtigsten Spiele abzubilden und zu empfehlen. Leider brachte das bei der Realisation eine Menge Zusatzaufwand: Neben der authentischen Hardware musste ich plötzlich auch historische Software akquirieren -- ächz. Insgesamt finde ich, dass nun fast schon etwas zuviel im Buch drinsteht, bin mit dem Ergebnis aber dennoch sehr zufrieden.

Ein Buch über die "beliebtesten Spiele"? Das ist ein ganz anderes Konzept, ebenso sinnvoll wie der Gedanke einer Hardware-Bibel, aber anderen Rahmenbedingungen unterworfen.
Kultpower: Wie viele Exemplare wurden gedruckt, wie läuft der Verkauf bisher? Was hast du für den Fall, dass alle Exemplare verkauft werden, geplant?
Winnie: 5000 Bücher kamen Mitte Dezember 2002 aus dem Druck. Der Verkauf läuft gut, drei Wochen nach VÖ bin ich mir aber noch nicht sicher ob's ein Flopp oder ein Erfolg wird -- frag mich in Februar oder März nochmal ;-)
Sollte die "Gameplan-Bibel" die erhoffte Zielgruppe finden, mache ich weitere Bücher -- vergleicht man Computer- & Videospiele mit anderen Medien besteht noch ein gehöriger Nachholbedarf was vernünftige Sekundärliteratur angeht.
Kultpower: Winnie, vielen Dank für dieses Interview und danke für dein Buch! :-) Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg!


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