Winnie Forster
Interview mit Winnie Forster
vom 6.1.2003 (Seite 1 von 2)

Kultpower: Hallo Winnie!
Erstmal vielen Dank, dass du für Kultpower.de dieses Interview mitmachst!
Wir fangen mal ganz vorne an: Wie kam es dazu, dass du Ende 1990 Redakteur bei der Powerplay wurdest? Wie lange kanntest du selber die Powerplay bereits?
Winnie: Kurz nach dem Abitur (& noch während meines Zivildienstes) fiel mir eine Ausgabe des Spielhefts Powerplay in die Hände, die in einem Wettbewerb nach dem "Besten Spielekenner" suchte. Powerplay war damals gerade von der Beilage des Computer-Magazins "Happy Computer" zum eigenständigen Heft befördert und mir eigentlich nicht besonders sympathisch. Damals fand ich englische Hefte wie ACE oder The One viel cooler, aber der Wettbewerb hat mich gereizt. Letztendlich habe ich dann doch nicht daran teilgenommen, stattdessen die Stellenanzeige in der gleichen Ausgabe beantwortet -- Markt & Technik war damals ein sehr renommierter Verlag, räumlich in meiner Nähe, außerdem wusste ich nicht, was ich nach dem Zivildienst studieren sollte.
"Heini, Anatol & Co waren für mich damals Unbekannte"
Kurz: Nach viel Hin und Her, Gesprächen mit Chefredaktion und Verlagsleitung wurde ich Mitte 1990 bei Powerplay als fester Redakteur angestellt. Im Gegensatz zu den Lesern waren Heini, Anatol & Co. für mich damals Unbekannte -- es stellte sich jedoch schnell heraus, dass ich in einem außergewöhnlichem Team gelandet bin, dem ich eine Menge verdanke.
Kultpower: Was für Computer- oder Videospiele waren deine Favoriten, bevor du Powerplay-Redakteur wurdest?
Winnie: Wie die meisten Spieler meiner Generation waren Pong und Space Invaders die ersten elektronischen Spiele die ich als kleiner Sch...er kennen lernte. Ich kam kaum bis zum Joystick dieser Automaten rauf, war aber sofort süchtig. Eine Konsole konnte ich mir damals nicht leisten, habe die ersten Heimgeräte Interton und Atari VCS also nur bei Freunden gespielt. Meine Eltern hielten einen Heim-Computer für vernünftiger. Ich hatte Erfahrung mit dem ZX 81 und dem VC 20, gab dann aber 500 Mark für einen Sinclair Spectrum aus. Obwohl alle meine Kumpels schnell zu C64-Freaks mutierten, habe ich die exotische Kaufentscheidung nie bereut -- bis Mitte der 80er-Jahre war die Spectrum-Software brillant. Zugegeben: Für Archon, Elite, Ultima und Wasteland mussten mir Kumpels ihre Commodore-Rechner leihen. Zum Glück wuchs ich in einem äußerst verspielten Umfeld auf u.a. ging der spätere Rainbow-Arts-Produzent Teut Weidemann ins gleiche Gymnasium. Der war ein paar Jahre älter und finanzkräftiger und hat mir z.B. seinen 64 SX ins Zimmer gestellt. Später stieß ich zu einer Rollenspieltruppe der z.B. Andreas von Lepel (2001/2002 Chefredakteur der Bravo Screenfun) angehörten. Dieser Kreis von Jugendlichen war schon Mitte der 80er-Jahre auf den Sprung in die Computer-Professionalität. Komischer Zufall, dass ich unabhängig von dieser Clique Jahre später in der selben Ecke gelandet bin...
Kultpower: Hat sich dein Spiele-Geschmack mit der Zeit geändert?
Winnie: Ich habe immer alles gespielt was mir in die Hände geriet & bin bereits als Schüler regelmäßig nach England gereist um mich dort mit Bücher, Comics, Games-Workshop-Zeugs, aber auch Computer-Spielen einzudecken. Vom Spectrum stieg ich Ende der 80er-Jahre auf den Amiga um -- letztendlich war mein einziger Flirt mit der Crackerszene eine böse Enttäuschung. Jede Woche ein Dutzend neuer Kopien, aber kaum ein gutes Spiel...seitdem lasse ich die Finger von hand-beschrifteten Disketten. Nur was man sich selbst kauft und teuer bezahlt, macht Spaß. Das gleiche Symptom sehe ich übrigens auch heute bei Leuten die sich via DSL und Flatrate "ihre" Spiele ziehen -- die Jungs wollen alles haben, können den ganzen Schmarrn aber kaum noch spielen. Das wahllose Kopieren verhindert vernünftige Selektion und killt den Spielspaß.

So war ich paradoxerweise an Spielen kaum noch interessiert, als ich 1990 bei der Powerplay anfing. Meine dortige Begegnung mit Mega Drive und PC-Engine hat die alte Leidenschaft jedoch wieder geweckt.
Kultpower: Was für Spiele begeistern dich heute?
"Ultima III macht immer noch höllisch süchtig"
Winnie: Auf dem PC spiele ich fast nur "Counterstrike", auf den Konsolen querbeet: Cool sind "Jet Set Radio", die "Gran Turismo"-Spiele, Konamis "Dracula X" auf PC-Engine und Playstation, das SNES-"Starfox" (für das die englischen 3D-Veteranen Argonaut die Technik lieferten), Nintendos "Fire Emblem", auf der Xbox z.B. "Halo"...zu viel um alles hier aufzuzählen.

Als Mehrspieler-Titel halte ich das erste "Bomberman" sowie z.B. "Virtua Tennis" auf dem Dreamcast für ungeschlagen. Durch die Arbeit an meinem Buch habe ich auch ein paar alte Sachen wieder rausgekramt: "Ultima III" macht immer noch höllisch süchtig, ebenso die Jumpīn-Run-Oldies "Manic Miner" und "Miner 49er".
Kultpower: Für viele Leser der Powerplay war es früher ein Traum, Redakteur zu werden und mit dem Spielen sozusagen "nebenbei" Geld zu verdienen. War das bei dir ähnlich und wie kamst du in den ersten Monaten mit deiner neuen Tätigkeit als Redakteur einer Zeitschrift für Computerspiele zurecht?
Winnie: Gut kam ich damit zurecht -- auch wenn viele Powerplay-Leser wahrscheinlich schockiert wären, wüssten sie was wirklich hinter den Kulissen abging ;-)
Kultpower: Aus welchen Gründen hast du deine Arbeit bei Powerplay und Videogames schon recht bald wieder beendet?
Winnie: Mein damaliger Chefred. Martin Gaksch und ich waren der Meinung das man viele Sachen besser & effektiver machen konnte, als es damals bei Markt & Technik geschah. Deshalb haben wir zusammen mit unseren Redakteuren Andreas Knauf und Ingo Zaborowski gekündigt & einen eigenen Verlag gegründet. Nach harten Anfangsjahren haben wir dann hintereinander Fun Generation, Mega Fun und schließlich auch den damaligen Marktführer Video Games abgehängt -- ein stetiger Aufstieg :-)
Kultpower: Zu welchen deiner früheren Kollegen hast du heute noch Kontakt?
Winnie: Zu fast allen: Martin Gaksch und Andreas Knauf sind ebenso wie ich Gesellschafter der Cybermedia GmbH, für Anatol Locker schreibe ich seit der Erstausgabe der Bravo Screenfun -- umgekehrt hat er auch Cybermedia ein paar Artikel beigesteuert. Die Genannten habe ich kurz vor Weihnachten 2002 zum letzten Mal getroffen. Heini und Fac5-Chef Julian Eggebrecht treffe ich seltener, meist in Kalifornien oder Tokio -- das liegt den beiden Auswanderern näher als München, Köln oder HH.
Kultpower: Inwieweit hat die Zeit bei Powerplay und Videogames deine weitere berufliche Laufbahn beeinflusst? Kannst du heute noch von deinen damaligen Erfahrungen profitieren?
"Dem Powerplay-Team fühle ich mich bis heute zu Dank verpflichtet."
Winnie: Das Fundament für meine berufliche Laufbahn habe ich durch meine Non-Stop-Beschäftigung mit Medien während meiner Schulzeit selbst gelegt. Von Anatol, Heini & Co. habe ich viel übers Schreiben und viel über den Umgang mit launischen Spiele-Geschäftsführern und Pressesprechern gelernt. Wie oben angedeutet: Dem Powerplay-Team fühle ich mich bis heute zu Dank verpflichtet.
Kultpower: Viele sind der Meinung, dass Computer- und Videospiele früher innovativer waren und die Spieler wesentlich länger motivieren konnten. Wie siehst du die Entwicklung von Spielen und deren Qualität?
Winnie: Quatsch, die Spiele waren früher nicht besser oder innovativer als heute. Schon damals kamen auf 50 Clones, Sequels und Rip-Offs vielleicht 5 gute sowie ein herausragendes Spiel. Klar hat man im Zeitalter von 3D-Beschleunigern & DVD den Eindruck, dass audiovisueller Aufwand Spielidee & -mechanik erschlägt. Aber machen wir uns nichts vor: Auch 1980, 1985 oder 1990 waren alle nur hinter "noch besserer" Optik & Technik her -- daran hat sich nichts geändert.

Aber auch umgekehrte Aussagen ("Die Spiele wurden immer besser, alte Software ist rückständig") ist IMO falsch: "Defender", "Bomb Jack", "Tetris", "Lemmings", "Civilization" machen genauso viel Spaß wie ein modernes "Halo" oder "Vice City". Warum sollten Spiele auch generell besser oder schlechter werden? Ein Fritz-Lang-Film ist heute noch meisterhaft -- ganz ohne Stimmen, ein Orson-Welles-Streifen trotz Schwarz-Weiß-Optik, der erste "Star Wars" auch ohne Computer-Effekte.
Kultpower: Hättest du jemals gedacht, das Powerplay und Videogames bis heute einen gewissen Kultstatus erreichen könnten?
Winnie: Das war uns klar -- deshalb haben wir Powerplay und Video Games ja gemacht ;-)
Persönlich finde ich, dass Powerplay das bessere Heft war und nütze diese Zeitschrift immer noch als Quellmaterial. Alte Video Games rühre ich heute jedoch kaum noch an. Unterm Strich muss ich zugeben, dass ich Powerplay vor meiner Anstellung unterschätzt und erst während meiner Tätigkeit kapiert habe wie gut die Arbeit von Boris, Anatol, Heini und Maga war -- Hut ab z.B. vor Boris' Serie über Atari, die bereits Ende der 80er-Jahre in Happy Computer bzw. Powerplay erschien -- damit war er anderen Euro-Journalisten um Jahre voraus.
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