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Michael Hengst
Interview mit Michael Hengst
vom 27.3.2001 (Seite 2 von 2; zu Seite 1)

Kultpower: Auf welches angekündigte Spiel mußtet Ihr in der Redaktion der PowerPlay am längsten warten?
Michael: Oh, da gibt's einige: Das Spiel, auf das ich am längsten gewartet habe, war "The Bard´s Tale 4" - darauf warte ich nämlich noch heute. Ich hatte das Spiel bei EA vor Ort gesehen, und nach ein paar Monaten haben die es komplett eingestellt.
Kultpower: Von welchem Spiel warst Du am schwersten enttäuscht?
Michael: Keine Frage: "Elite 2". Knut (Gollert) war extra drüben in England und hat sich das Spiel ausgiebig vor Ort angeschaut. Er war hellauf begeistert und voll des Lobes. Gegen meinen Widerstand - ja ja, die Basisdemokratie - gab´s eine 90er Wertung. Dafür haben wir nicht nur von Lesern jede Menge Schelte eingesteckt.
Kultpower: Hast Du das Ende der PowerPlay als Zeitschrift mitverfolgt? Aus welchen Gründen konnte sich die PowerPlay aus Deiner Sicht letztendlich nicht am Markt halten?
Michael: Klar habe ich das Dahinsiechen der PP mitverfolgt. Aber meiner Meinung nach war das Ende nicht abzuwenden. Die eigentliche Ursache liegt viel weiter zurück: Im Grunde starb die Power Play schon 1994/1995. Da sich die damalige Verlagsleitung außerstande sah, Verbesserungsvorschläge und Erweiterungen für die PP zuzulassen, wurde - meiner Meinung nach - schon damals das Grab geschaufelt. Das war auch einer der Gründe, warum ich mich dann entschlossen habe, zu gehen.
Kultpower: Hat sich die Qualität von Computerspielen in den letzten Jahren Deiner Meinung nach geändert? Siehst Du einen Mangel an innovativen Spielkonzepten?
Michael: Generell würde ich sagen, daß die technische Qualität natürlich deutlich gestiegen ist. Wenn ich mir heute allein die Grafik anschaue, wird mir schwindelig - das ist wirklich phänomenal. Inhaltlich vermisse ich hingegen die wirklich innovativen Konzepte - aber mal ehrlich, ist das wirklich so schlimm? Entscheidend ist doch immer noch, ob das Spiel Spaß macht oder nicht. Da interessiert es mich heute eigentlich kaum, ob´s das Spielprinzip schon vor zehn Jahren gab oder nicht. Fesselt mich das Spiel, ist es toll gemacht, habe ich eine gute Zeit? Das ist wichtig!
Kultpower: Welche Computerspiele spielst Du heutzutage? Bist Du immer noch ein begeisterter Rollenspieler?
Michael: Ich spiele nicht mehr ganz so viel wie früher - das liegt natürlich auch ein bißchen an der Familie und am Beruf. Meine Tochter ist jetzt 14 Monate alt und beansprucht meine spärliche Freizeit doch erheblich ;-) Ansonsten liebe ich immer noch Rollenspiele (oder Actionrollenspiele) und Strategie/Taktik-Programme wie z.B. "Diablo 2", "Wizards & Warriors", "Final Fantasy", "Commandos", "Advanced Military Commander 4".
Kultpower: Viele sehen in der PowerPlay das kompetenteste Spielemagazin, das es je gegeben hat. Wie beurteilst Du die Qualität aktueller Spielemagazine?
Michael: Ich glaube, daß ein Magazin immer nur so kompetent ist wie seine Redakteure. Und natürlich haben wir auch einige dicke Patzer auf dem Kompetenzkerbholz, wie beispielsweise "Elite 2" - ob wir also das "kompetenteste" Magazin waren, das es je gab? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich glaube, daß dies ein "Gefühl" ist, das auch deutlich mit der damaligen Zeit zusammenhing. Der Markt war kleiner, der Konkurrenzkampf nicht so stark wie heute.
Kultpower: Erkennen Dich die Leute auf der Straße wieder? :-)
Michael: Ja! Passiert mir häufiger. Z.B. auf dem Flughafen. Ich hatte schon einen Polizisten an der Paßkontrolle, der mich angrinste. Als ich ihn verwirrt fragte, ob mit meinem Ausweis was nicht in Ordnung sei, antwortete er: "Ich kenn Dich noch aus alten Power Play-Tagen".
Kultpower: Hast Du noch Kontakt zur "alten PowerPlay-Familie" (Boris Schneider, Heinrich Lenhardt,...) ?
Michael: Wenig. Die meisten sind eh in alle Winde verstreut und machen ihr eigenes Ding. Mit Martin Gaksch (ehemaliger Chefred. - heute Maniac!) habe ich erst kürzlich telefoniert.
Kultpower: War Dir (bevor Du Kultpower.de kanntest) bewußt, daß es auch heute noch wahre Powerplay-Fans gibt?
Michael: Ehrlich gesagt: Nein! Ich hatte keine Ahnung, daß es noch so viele echte Fans gibt. Ich finde eure Seite echt klasse und bin begeistert, daß die "guten alten Zeiten" nicht so einfach vergessen sind.
Anmerkung des Interviewers: Danke für dieses Lob! Allerdings ist "eure Seite" nicht ganz korrekt, denn kultpower.de ist komplett von mir alleine :-)
Kultpower: Als Amiga-Freak würde mich interessieren, was Du von der Entwicklung bei Amiga hältst. Meinst Du, das plattformübergreifende neue AmigaOS wird sich auch nur ein wenig auf dem Markt behaupten können?
Michael: Nein, glaube ich nicht. Die Übermacht von PC- und Konsolensystemen wie PSX2, X-Box usw. ist einfach zu groß. Die Zeiten von Amiga und auch anderen Systemen ist definitiv vorbei - selbst wenn es "nur" um das Betriebssystem geht.
Kultpower: Was für Rechner (insbesondere von früher) besitzt Du heute noch?
Michael: Das sind leider nicht mehr so viele: C64, Atari ST (512er), Atari Mega ST, Master System, NES, PC-Engine, Turbo-Duo, Mega Drive, Mega CD, Saturn, SNES, GameBoy... aber die sind eigentlich alle eingemottet und liegen auf dem Dachboden oder bei mir in der Firma (neben den ganzen alten Spielen<G>.)
Kultpower: Was machst Du heute beruflich, und was sind Deine Ziele für die nächsten Jahre?
Michael: Ich habe seit über drei Jahren meine eigene Firma (mit drei anderen zusammen). Die Firma nennt sich "Das Trickwerk", und wir machen z.B. Lösungsbücher für Eidos oder Nintendo. Außerdem machen wir sehr viele "Pressehefte" - also Erstellung und Gestaltung von Pressematerial für Spiele - z.B. für Vivendi Universal (ehemalig Havas). Außerdem haben wir ein eigenes Test-Magazin für DVDs (so ganz ohne Verlagstätigkeit geht´s halt nicht), und zwar die "DVD-Home". Wie in guten alten Zeiten testen wir hier Software - zwar keine Spiele, aber Filme, die auf DVD erscheinen. Das Heft (so viel Eigenwerbung muß sein) gibt's an ausgewählten Kiosken oder direkt beim Trickwerk. Ansonsten haben wir letztes Jahr versucht, ein Spiele-Entwickler-Heft zu machen - für zwei Ausgaben machten wir die deutsche Lizenzausgabe des "Game Developer". Das Echo war super, nur war die Industrie noch nicht bereit, das Heft finanziell mit Anzeigen zu stützen. Also mußten wir es wieder einstampfen. Schade, schade.
Kultpower: Michael, nochmal vieeeelen Dank für Deine interessanten Antworten! Ich freue mich echt riesig, daß Du dieses Interview mitgemacht hast!



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